Kerstin Arnold, Dangerous Words, Öl und Acryl auf Leinwand, 2022
Kerstin Arnold, Dangerous Words, Öl und Acryl auf Leinwand, 2022

Sprachloses Nebeneinander

Kerstin Arnold wird mit ihren Bildern zur Chronistin der gesellschaftlichen Verwerfungen der Covid-19-Pandemie.
Kerstin Arnold, 2023, Foto: Bülent Gündüz

Kerstin Arnold wurde 1964 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren. Nach ihrem Schulabschluss begann sie mit einem Vorbereitungskurs für ein Kunststudium, erhielt jedoch aus gesellschaftspolitischen Gründen keine Zulassung. So erlernte sie von 1981 bis 1983 den Beruf der Technischen Zeichnerin und studierte 1983 und 1984 an der Ingenieurschule für Bauwesen in Leipzig. Die politischen Repressalien, die sie erleben muss, führen dazu, dass sie 1985 und 1986 aus politischen Gründen einen Ausreiseantrag stellte. Dem wurde allerdings erst 1989 stattgegeben und Arnold noch kurz vor dem Mauerfall aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen. Ihre Einreise in die Bundesrepublik führt sie nach Saarbrücken, wo sie bis heute lebt.

Arnold malte anfangs vor allem hyperrealistische Stillleben, die geprägt sind von einer perfekten Oberflächenmalerei mit Reflexionen und Spieglungen. Im Jahr 2010 wandte sich Arnold menschlichen Figuren zu, malte vor allem Frauen, seltener auch Paare oder Männer, dann meist in Rückenansicht. Als die Covid-19-Pandemie ausbrach hatte sie gerade eine Serie von Arbeiten zum Thema „Kommunikation“ begonnen.

Mit dem Beginn der Pandemie wurde klar, dass sich die Kommunikation in der Gesellschaft und in zwischenmenschlichen Beziehungen sich dramatisch verändern würde. Arnold hielt diese neue Einsamkeit und Sprachlosigkeit in eindrücklichen Bildern fest.

Arnold fertigt Fotografien von professionellen Modellen und Schauspieler*innen an, die sie dann für ihre Werke abmalt, gelegentlich gruppiert und über den Hintergrund in neue Zusammenhänge setzt. Die Frauen sind austauschbar, was sich auch daran zeigt, dass die Frauen häufig mehrfach in den Gemälden auftauchen.

Zum Synonym für die Coronazeit könnte „Day after Day“ (2021) werden. Zwei junge Frauen stehen da im Vordergrund. Versunken in ihre Gedanken und sprachlos nebeneinanderstehend halten sie sich an einer Stange fest. Im Hintergrund die beiden Frauen in die Ferne blickend zwischen Teilnahmslosigkeit und vorsichtiger Neugier. Der Raum ist unbestimmt, Farbige Flächen sind von Rankpflanzen behangen, ein Schild mit der Aufschrift „Exit“ weist nach links und nach rechts.

Noch drastischer ist „Dangerous Words“. Zwei Frauen stehen sich gegenüber. Sie tragen FFP2-Masken. Die Dame rechts trägt eine normale Maske, die linke eine rote Maske, aus der dicke Eisennägel hervorschauen. Das lässt sich als die gegensätzlichen Positionen im Streit um die Corona-Maßnahmen deuten. Im Hintergrund farbige Punkte. Hinten den Frauen leuchten zwei große Kreise, einmal gelb und einmal blau, die sich überschneiden und dort zu einem Grün werden. Auch sie kommunizieren nicht miteinander und schauen aneinander vorbei. Nur die Kreise deuten eine Kommunikation an, deren gegensätzliche Positionen sich in einer kleinen Schnittmenge vereinen. 

Arnold wird mit ihren Arbeiten zu einer Chronistin der Covid-Pandemie.  Ihre Bilder symbolisieren das Isolation und Nebeneinander während der Pandemie, die Unversöhnlichkeit von Befürwortern und Gegnern der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, sind aber auch Ausdruck gesellschaftlicher Verwerfungen in dieser Zeit.

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Eingang zur Raststätte "Goldene Bremm", Foto: Bülent Gündüz
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