Cordula Sumalvico, Loslassen, 2023
Cordula Sumalvico, Loslassen, 2023

Rätselhafte Scheinwelten

Cordula Sumalvico verdichtet Fragmente der Realität zu spannenden Scheinwelten.

Zu der jüngeren Generation gehört auch Cordula Sumalvico (geb. 1971 in Pforzheim). Von 1993 bis 2000 studierte sie Soziologie, Psychologie und Philosophie an der Philipps- Universität in Marburg und der TU Berlin. Im Jahr 2008 begann sie ein Studium der Freien Kunst an der HBK Saar Saarbrücken, das sie 2013 abschloss. Im Anschluss war sie bis 2015 Meisterschülerin bei Gabriele Langendorf.

Sumalvicos Arbeit ist geprägt von den Erfahrungen aus ihrer Arbeit in einer Akut-Psychiatrie und zeigt gesellschaftliche Absurditäten und Missstände auf. Collageartig bringt sie Bilder aus den Medien und dem Internet sowie von Plakaten auf die Leinwand. Sie wählt aus Bildern einzelne Elemente aus und bringt sie auf der Leinwand unter kompositorischen und assoziativen Gesichtspunkten neu zusammen. So entreißt die Malerin die Bildfragmente ihrem Kontext. Es entstehen Szenen voller räumlicher Brüche, die sich kaum noch entschlüsseln lassen.

Die Inszenierung schafft zwar durch die Staffelung und das Übereinander-Schieben der Ebenen räumliche Tiefe, doch die Lichtsituation der einzelnen Fragmente ist so unterschiedlich, dass sofort auffällt, dass die Einzelszenen nicht zueinander passen und keinen gemeinsamen Raum haben. So entsteht ein Spannungsbogen, der sofort zum Schauen auf die vielen Details zwingt. Der Betrachter bleibt allerdings allein, denn die Szenen lassen sich nicht verdichten, es gibt kein Narrativ. So bleibt der stets subjektive Versuch, sich etwas zu erklären, was sich nicht erklären lässt.  Eindeutige Botschaften sucht man vergebens, jeder muss sich den eigenen Assoziationen hingeben. Die präzisen Titel verwirren zusätzlich, denn sie gaukeln eine Eindeutigkeit vor, die es nicht gibt.

In den neueren Arbeiten schiebt Sumalvico die Ebenen häufig stärker ineinander, was dazu führt, dass sich die einzelnen Elemente kaum noch identifizieren lassen. Das Schattenspiel hat sie aufgegeben, die Räume werden diffuser, der Farbauftrag im Hintergrund gestischer, die Farbgebung expressiver. Immer stärker rücken nicht mehr Szenerien, sondern Figuren in den Vordergrund, die aber nur scheinbar interagieren. Man verfasst das Bild im ersten Moment als Gesamtszene, schon weil die räumlichen Brüche fehlen. Schnell ist man jedoch irritiert, weil nichts so wirklich zusammenpasst. 

Cordula Sumalvico, "Loslassen", 2023
Cordula Sumalvico, „Loslassen“, 2023

Das im KuBa gezeigte „Loslassen“ (2023) ist eines der neuesten Gemälde von Sumalvico. Der Titel erklärt den Bildinhalt zuerst einmal, denn es geht um Assoziationen zu Festhalten und Loslassen. Die einzelnen Figuren haben mit dem Thema durchaus etwas zu tun.  Ein Liebespaar hält sich am linken Bildrand fest umschlungen. Am rechten Bildrand liegt eine Person auf einen Tisch gestützt und scheint gerade eine Plastiktüte losgelassen zu haben, die durch die Bildmitte fliegt. Zwei Männer am unteren Bildrand scheinen sich gerade losgelassen zu haben.

Aber irgendwie passt das alles nicht so recht zusammen. Es beginnt mit den beiden Männern am unteren Bildrand. Der Mann links kauert in Kisten und streckt die Hand aus, doch sein Blick geht ins Leere. Der Mann rechts unten liegt am Boden, streckt die Hand hilfesuchend aus. Auch in der Bildmitte liegt ein Mann auf dem Boden und streckt die Hände hilfesuchend aus. Aber wohin greift er? Am oberen Bildrand ein Mann, der eine Flüssigkeit ausschüttet.  Sie rinnt durch die Hand des Mannes auf dem Tisch und zerstobt. Die ganze Szenerie findet scheinbar in einem Raum mit Bretterboden und -wänden statt, der diffus bleibt.Je länger man sich das Bild anschaut, umso verrätselter stellen sich die Szenen dar. Was das Auge anfangs versucht, als Ganzes wahrzunehmen, zerlegt sich schnell in immer mehr Einzelszenen, die den Klärungsbedarf aber auch kaum stillen. Das erzeugt Spannung und zwingt zum genauen Schauen. Die Geschichte entsteht erst im Auge des Betrachtenden.

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