Christiane Dessecker, Detail aus „Spreading mit unterschiedlichen Härtegraden“, 2019 bis 2023
Christiane Dessecker, Detail aus „Spreading mit unterschiedlichen Härtegraden“, 2019 bis 2023
10. Juli 2023

Chronistin der Pandemie

Die Künstlerin Christiane Dessecker zeichnete die Pandemie auf ungewöhnliche Weise auf.

Kommt man in den Ausstellungssaal der SaarART in der Modernen Galerie, fällt eine Arbeit sofort auf. Hinten rechts in einem großen Kabinett hängt eine wandfüllende Zeichnung aus vielen Einzelblättern. Die Arbeit „Spreading mit unterschiedlichen Härtegraden“ schuf Christiane Dessecker in den Jahren 2019 bis 2023.

Dessecker (*1967 in Stuttgart) ist im Saarland keine Unbekannte. Sie studierte von 2015 bis 2023 an der HBKsaar freie Kunst. Allerdings hatte sie zuvor schon eine erste Karriere als Artistin. Sie studierte von 1993 bis 1996 an der École National de Cirque in Montreal und arbeitete dann viele Jahre in dem Beruf.

Doch der körperlich anstrengende Beruf forderte seinen Tribut und Dessecker musste sich umorientieren. Sie begann 2011 den Studiengang Kunst/Pädagogik/Therapie an der Alanus-Hochschule in Alfter, der auf eine kunstgerichtete Tätigkeit in Therapie und Pädagogik vorbereitet. Doch der Impuls zum künstlerischen Arbeiten war wohl größer und das Talent sowieso. Im Jahr 2015 wechselte sie an die HBKsaar und war Meisterschülerin bei Katherina Hinsberg.  

Wie bei so vielen Künstler*innen war die Covid-19-Pandemie auch für Christiane Dessecker ein tiefer Einschnitt in ihr Leben und das künstlerische Arbeiten. Sie begann, den Verlauf der Pandemie aufzuzeichnen. Bestimmt war das Leben in den Monaten der Pandemie von den täglichen Horrorzahlen der erkrankten und Verstorbenen. Dessecker nahm dieses alles bestimmende Thema auf und verarbeitete es auf ihre Weise.

Sie begann zu zeichnen und nutzte bei hohen Fallzahlen weiche Bleistifte, bei niedrigen Fallzahlen härtere Bleistifte. Nach einem festzugeordneten Schema werden die Striche so zu einer Aufzeichnung der Zahlen. In kurzen Strichen setzte sie auf dem Papier assoziativ Motive um. Anfangs noch abstrakt schälen sich aus den kurzen Strichen immer wieder auch figurative Symbole, Tiere und Pflanzen. War ein Blatt abgeschlossen, begann sie mit dem nächsten.  Anschaulich vermittelt sie uns damit das Bild: alles hängt mit allem zusammen.

Es entstanden fast magisch pulsierende Wolken, die an- und abschwellen, sich gelegentlich kurz zu etwas Gegenständlichem materialisieren, um sich dann wieder in flüchte Rauchfahnen aufzulösen. Die Strichwolken dehnen sich aus, ziehen sich zurück, sie wuchern über das Papier und verändern wie ein Vogelschwarm plötzlich gemeinsam die Richtung. Dort wo harte Stifte benutzt wurden, sind die Striche zart, die weicheren Bleistifte hinterließen fast schwarze Gebilde. So sind in zeichnerischer Übersetzung die dynamischen Geschehnisse der Fallzahlen übersetzt worden. 

Mit dem offiziellen Ende der Coronapandemie im April 2023 stellte Dessecker auch die Arbeit an der Zeichnung ein. Inzwischen sind die Blätter in einem aufwendigen Verfahren auf MDF-Platten kaschiert worden und liegen so beim Hängen flach an der Wand, ohne sich zu wellen. Auf der Rückseite der Zeichnungen sind Zeitdaten der Aufzeichnung und Härtegrade vermerkt.

Instagram: https://www.instagram.com/christianedessecker

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