Johanna Schlegel, Detail der Installation "morgen kommen wir nicht wieder", 2022
Johanna Schlegel, Detail der Installation "morgen kommen wir nicht wieder", 2022

Auf künstlerischer Spurensuche

Die Künstlerin Johanna Schlegel begibt sich auf die Spurensuche nach dem Maler eines Gemäldes.

Auf alten Familienfotos fällt der jungen Künstlerin Johanna Schlegel immer wieder ein Gemälde im Hintergrund auf. Sie wird neugierig und macht sich auf die Suche. „Morgen kommen wir nicht wieder“ erzählt von der Suche und dem Schicksal des Malers, dessen Lebensweg sie dokumentarisch und künstlerisch nachzeichnen kann.

Nach der Entdeckung des Gemäldes begibt sich Schlegel auf die Suche nach dem Maler und findet heraus, dass das naturalistische Landschaftsgemälde von Friedrich Karopka-Branntler geschaffen wurde. Das Bild ist nichts besonders Eindrucksvolles und dürfte bis in die 1970er Jahre so ähnlich in vielen Wohnzimmern der Republik gehangen haben. Es zeigt eine Auen- oder Moorlandschaft mit ein paar Birken und Tannen. Wenig Anhaltspunkte, um auf die Suche zu gehen. 

Die Künstlerin begab sich dennoch auf die Spurensuche, macht weitere Gemälde mit der Signatur in Europa und den Vereinigten Staaten aus und entdeckte Postkarten mit Motiven ehemals ostdeutscher Gebiete bei Online-Auktionshäusern. Schlegel legte eine Karte an und verzeichnete Fundstellen und Motivorte, soweit sie ihr bekannt waren. Es wird schnell deutlich: Karopka muss aus dem ehemals ostdeutschen Schlesien im heutigen Polen stammen. Sie kann den Aufenthaltsort der Nachfahren in Erfahrung bringen, traf den Sohn des Künstlers und interviewte Zeitzeugen. 

Schlegel begab sich sogar auf die Reise nach Schlesien und erkundete die Region, in der Karopka aufgewachsen war. Mit Hilfe eines Fahrradhändlers und dessen Frau, die Historikern ist, konnte sie das Geburtshaus und das Grab des Malers ausfindig machen.

Friedrich Karopka-Branntler wurde am 5. September 1922 in Thiemendorf (damals Deutsches Reich) geboren. Während des Zweiten Weltkriegs verlor er seinen rechten Arm und musste trainieren, mit der linken Hand zu malen. Er besuchte die Kunstakadmie in Prag und nach der Vertreibung aus den Ostgebieten Ende der 1940er Jahre die Schule für Bildende und Angewandte Kunst Dortmund von Hans Tombrock.

Schlegel hat ein spannendes Sammelsurium kreiert. Das Gemälde ist gar nicht Mittelpunkt der Ausstellung, es lehnt mit der bemalten Seite zur Wand in einer Ecke, zusammen mit anderen Werken. Ein toller Kniff! Stattdessen hat die Künstlerin die Familienfotos an einer Wand übereinandergelegt, sodass immer das Gemälde übereinander passt. Das Werk ist deutlich im Mittelpunkt, die Personen auf den Bildern werden zur Staffage. In Rahmen hängen Indizien der Spurensuche, Zeitungschnipsel, Fragmente des Gemäldes, Texte zur Suche, Hinweisschnipselchen, die sich bei der/dem Besucher*in wie Puzzleteilchen zusammensetzen. Wer mehr wissen möchte, kann eine schriftliche Dokumentation erwerben.

Biografie

Schlegel wurde 1986 in München geboren und absolvierte von 2016 bis 2020 ein Studium an der HBKsaar. Inzwischen studiert sie an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. 

Website: https://johannaschlegel.com

Instagram: https://www.instagram.com/johanna__schlegel

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Christiane Dessecker, Detail aus „Spreading mit unterschiedlichen Härtegraden“, 2019 bis 2023
Vorheriger Artikel

Chronistin der Pandemie

Nächster Artikel

Die alltägliche Gefahr

Nach oben

Don't Miss

Was bleibt?

Nun ist die SaarART 2023 Geschichte.
Lisa Marie Schmitt, Alexandru Mihai Budeṣ, 30 de ani de Optimism“, Ausstellungsansicht

Von Hoffnung und Enttäuschung

Im Jahr 2021 erhielt Lisa Marie