Paulette Penje während der Dreharbeiten zu "Funny Isolations", Foto: Bülent Gündüz
Paulette Penje während der Dreharbeiten zu "Funny Isolations", Foto: Bülent Gündüz

Kunst, die sich hinterfragt

Paulette Penje hinterfragt in ihren Videoperformances unser Verständnis von Kunst.

Es dürfte wohl der verrückteste Termin meiner diesjährigen SaarART gewesen sein. Die Berliner Künstlerin Paulette Penje lud mich Anfang Juni ein, bei den Aufnahmen für ihre Videoperformance „Funny Isolations“ dabei zu sein. Die Videoarbeiten waren für den kleinen Hof zum Skulpturengarten der Modernen Galerie geplant, mussten jedoch verlegt werden, weil dort Arbeiten an der Außenfassade stattfinden. Schade eigentlich, denn ich hatte mir vorgestellt, dass die Besucher der Ausstellung sich die Videoaufzeichnung anschauen und dann auf den Farbspuren, laufen könnten und so ein kleiner Teil der Arbeit werden würden. Doch es sollte besser kommen.

Paulette Penje nahm die Planänderung gelassen und suchte nach einer anderen Möglichkeit – und die hatte es in sich. Wir trafen uns morgens vor der Modernen Galerie und marschierten gemeinsam mit Margaux Imbert von der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz und Philipp Majer (Bunkhouse Media) durch die Eingeweide des Museums. Durch den Keller, das Reich der Museumtechniker, ging es mit einem kleinen Aufzug in das zweite Obergeschoss, dann noch ein paar Stufen durch ein verstecktes Treppenhaus und wir standen auf einem Absatz mit rund vier Meter hoher Decke. Höher geht es eigentlich nicht. Für uns allerdings doch. Wir kletterten über eine wackelige Leiter und ein Oberlicht auf das Dach des Museums.

Hier oben entstand „Funny Isolations“, das nun in der Modernen Galerie als Drei-Kanal-Video ausgestellt ist. Penje vollführt darin raumgreifende Bewegungen und besprüht sich, den Boden und die Luft mit Farbpigmenten. Ihr Körper ist Leinwand und Werkzeug zugleich, genauso wie die Umgebung und der Raum. Sie wird Teil des Malgrundes und verschmilzt über die Farbe mit diesem. Mal streift die Farbe den Körper, mal überzieht sich Penje damit, dann wieder liegt sie auf dem Boden und zeichnet die Umrisslinien von Körperteilen nach. Einsam und in die Bewegungen versunken bewegt sie sich auf dem Dach und hinterlässt Farbspuren im Kies.

Videostill aus „Blue“, Foto: Paulette Penje

Ihre zweite bei der SaarART gezeigte Arbeit ist „Blue“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Penje steht auf den Dächern der Hütte und sprüht blaue Farbe in den Himmel. Fast scheint es so als würde sie den Himmel blau malen. Die Farbe entweicht, färbt den Himmel kurz, verdünnt sich in der Luft und verschwindet. 

Was soll das – werden sich sicher viele Betrachter fragen und den Kunstbegriff von Penje in Frage stellen. Doch es geht in der Arbeit nicht um Penjes Kunstbegriff, sondern um den des Betrachters. „Was soll das“ ist genau die richtige Frage, denn Penje untersucht mit ihrer Arbeit die Prozesse und Entstehung von Kunst, aber auch den Kunstbegriff selbst und die Rolle des/der Künstler*in. Penjes konzeptuelle Arbeit ist aber weit mehr, denn es geht auch um formale Fragen von Farbe, Material, „Malgrund“ und Raum. Wie verhält sich die Farbe, wenn sie die Person trifft, wenn sie durch die Luft verwirbelt wird oder wenn sie den gekiesten Boden einfärbt, und lineare Muster hinterlässt? Sind die Relikte auf dem Boden ein Kunstwerk? Die Linien, die ja durch die fragmentarischen Umrisse der Künstlerin auch figurative Formen enthalten, sind schließlich Malerei. Oder ist das Video das Kunstwerk? Oder gar die Idee zum Werk an sich? Vielleicht liegt die Antwort aber in einer Kombination dieser Möglichkeiten.

Die aufgeworfene Frage, ob Penje hier Kunst schafft oder nicht, stellt die Künstlerin also selbst, denn ihr konzeptioneller Ansatz hinterfragt unser Verständnis von Kunst. Geschickt wirft sie die Fragen auf, welche Ansprüche wir an Kunst stellen und was wir als Kunst definieren. Dem Nachzuspüren, bereitet viel Spaß, wenn man sich darauf einlässt. Gute Kunst lebt genau davon.

Website: https://www.paulettepenje.com

Instagram: https://www.instagram.com/paulettepenje

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