Was für eine visuelle Wucht. Im zentralen Kabinett der Städtischen Galerie Neunkirchen zeigt Klaudia Wachall (* 1968 in Raststatt) mit #ichfindemichheutesofremdindieserwelt One of 1000 stories/Eine von tausend Geschichten ihre neuste Arbeit und errichtet ein Panoptikum, in dem man stundenlang schauen kann.
Klaudia Stoll werden viele Kunstbeflissene vor allem als Teil des Künstlerduos Stoll & Wachall kennen. Gemeinsam mit Jacqueline Wachall zeigt Stoll immer wieder spannende Videoarbeiten, Performances und Installationen. Doch die beiden Künstlerinnen pflegen auch ihr eigenständiges Werk. Stoll arbeitet vor allem mit Zeichnungen, Collagetechniken und Video. Immer wieder greift sie dabei zu tagebuchartigen Aufzeichnungen, welche ihre Gefühle und Gedanken, aber auch alltägliche Ereignisse widerspiegeln, in denen Stoll ihr Leben und ihre Umwelt reflektiert und dem Unbewussten nachspürt.
Im November 2020 veränderte sich das Leben der Künstlerin schlagartig und das manifestierte sich auch in ihren Arbeiten. Nach einem Notfall zog sie von Berlin zu ihren Eltern in den Nordschwarzwald und pflegt sie seither. Diesen für die Tochter und die Eltern existenziellen Ausnahmezustand verarbeitet sie künstlerisch. Die Zeichnungen und Videos erzählen von der Trauer über den langsamen Abschied, von Verbundenheit und Vertrautheit in der Familie, von lustigen Ereignissen und tiefgründigem Humor, genauso von Anstrengung und Überforderung und den existenziellen Fragen an das Leben: Woher kommen wir und wohin gehen wir? Was ist wesentlich in unserem Leben? Die Werke sind stark fragmentiert, dominiert von Umrisslinien und viel weißen Flächen, die auf eine starke Konzentration auf das Wesentliche hindeuten. Manchmal sind einzelne Elemente in kräftigen Farben hervorgehoben. All das hält sie auf dem Smartphone fest, das ihr ständiger Begleiter ist.
Der menschliche Körper spielt dabei eine wesentliche Rolle. Das kann kaum verwundern, denn pflegerische Tätigkeiten sind vor allem körperlich. Die Pflegenden kosten sie Kraft und nicht selten den vollen Körpereinsatz, dabei spielt der Körper des zu Pflegenden eine zentrale Rolle.
Die Pflege der Eltern bedeutet immer auch einen Abschied von der eigenen Kindheit und der Rolle als Kind. Es ist nun an der Tochter, sich existenziell um die Eltern zu kümmern und ihnen angedeihen zu lassen, was sie brauchen. Das umfasst nicht nur die Pflege, sondern bedeutet auch, Liebe und Geborgenheit zu vermitteln. Die eigene Rolle muss man in dieser neuen Beziehung zu den Eltern erst finden. Das ist kein leichter Weg, sondern einer, der viel Kraft kostet, wie Stoll eindrücklich vermittelt. Zugleich kreisen ihre Gedanken immerzu um Vergänglichkeit, Abschiednehmen und den Tod.
Ihre seriell angelegten Geschichten teilt Stoll auf Instagram, Facebook und Whatsapp.
Webiste: https://www.klaudiastoll.com/