Nazanin Hafez, Zuschauer, 2022, Foto: Margaux Imbert
Nazanin Hafez, Zuschauer, 2022, Foto: Margaux Imbert
28. Juli 2023

Fratzen der Unmenschlichkeit

Nazanin Hafez schafft analoge und digitale Collagen aus Gesichtern der Zuschauer von öffentlichen Hinrichtungen im Iran.

Eine der jüngsten Teilnehmerinnen der SaarART ist Nazanin Hafez (* 1991 in Shiraz, Iran). Sie studierte zwischen 2009 und 2013 Softwaretechnologie in Teheran. Im Jahr 2017 kam sie nach Saarbrücken und studierte bei Eric Lanz an der HBKsaar „Media Art and Design“. Seit dem vergangenen Jahr ist sie Meisterschülerin bei Parastou Forouhar an der Kunsthochschule Mainz. 

Hafez arbeitet mit Video, Fotografie sowie digitalen und analogen Collagen. Ausgangspunkt für ihre künstlerische Arbeit ist vor allem die Situation in der Islamischen Republik Iran. Immer wieder prangert sie die gesellschaftlichen und politischen Missstände ihres Heimatlandes an.

In ihren Fotoserien dokumentiert Hafez den Alltag und das Leid der iranischen Zivilbevölkerung genauso wie das Leben von Iraner*innen in der Diaspora. In den Collagen der Werkreihe „Prozess“ thematisiert die Künstlerin Folterungen im Iran. Sie verdichtet in einer Collage die Fernsehbilder von erzwungenen Geständnissen zu einer männlichen Person. Aus der Collage wurde eine Animation, die noch einmal auf den manipulativen Charakter der Geständnisse hinweist. Und aus den Audioaufnahmen der Opfer wurde eine bedrückende Soundcollage.

In der Collage-Serie „Zuschauer“ in der Modernen Galerie fügt sie die Gesichter von Zuschauer*innen von öffentlichen Hinrichtungen neu zusammen. Hinrichtungen sind im Iran Alltag und werden öffentlich „zelebriert“. Die Bevölkerung soll die Strafen sehen und sie disziplinieren und erziehen. Die Todesstrafe droht in der Islamischen Republik für schwere Verbrechen wie etwa Mord, aber auch für Demonstrationen gegen das Regime wird schon mal die Todesstrafe verhängt. Die Anklage lautet meist: „Kriegsführung gegen Gott“. Im Jahr 2022 wurden laut Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 582 Menschen hingerichtet.

Hafez lässt mit der Collage ein All-Over aus fratzenhaft verzerrten Gesichtern entstehen. Sie hinterfragt damit nicht nur die Situation der Menschenrechte im Iran und das Justizsystem des Landes, sondern auch die Rolle der Zuschauer*innen, die eine moralische Mitverantwortung tragen. Die Gleichgültigkeit in vielen Gesichtern der Zuschauer:innen schockiert. Die Gewalt scheint längst zur banalen Normalität geworden. 

Website: https://nazaninhafez.com

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