Cover des Kataloges zur ersten Landeskunstausstellung
Cover des Kataloges zur ersten Landeskunstausstellung
12. Mai 2023

Eine kleine Geschichte der Landeskunstausstellung

Es begann im November 1987 mit einer vierwöchigen Ausstellung in der Modernen Galerie. Der damalige Minister für Kultus, Bildung und Wissenschaft Diether Breitenbach erläuterte im Vorwort des Ausstellungskataloges das Konzept der neuen Landeskunstausstellung: Zweck sei es, so Breitenbach, die Qualität und Ausdrucksvielfalt der saarländischen Künstlerinnen und Künstler in einer exemplarischen Auswahl darzustellen und damit zugleich künstlerische Entwicklungen sichtbar zu machen. Es ist bis heute Grundsatz jeder Landeskunstausstellung geblieben. 

Lange war im Vorfeld diskutiert worden. Der Wunsch nach einer solchen Ausstellung war aus der Künstlerschaft gekommen, über das Wie gab es aber heftige Diskussionen: Die einen wollten ein juryfreie Massenausstellung auf dem Messegelände, andere wollten eine kuratierte Auswahl. Letztlich bildeten die Vorsitzenden der saarländischen Künstlerverbände mit dem Ministerium eine Arbeitsgruppe (Jo Enzweiler, Manfred Güthler, Volker Lehnert, Günter Willeke), welche die Grundsätze ausarbeitete. Man war sich schnell einig: Teilnehmen können sollten alle Künstler*innen, die im Saarland geboren sind oder hier leben oder eng mit dem kulturellen Leben des Landes verbunden sind. Über die Zulassung sollte eine Jury entscheiden, die unter dem Vorsitz von Lorenz Dittmann stand, der an der Universität des Saarlandes Kunstgeschichte lehrte. Zur Jury gehörten außerdem Manfred Fath (Leiter der Kunsthalle Mannheim), Georg Költzsch (Direktor des Saarlandmuseums), Lukas Kramer ( Maler), Ulla Schenkel (Malerin), Bernd Schwering (Maler) und Theo Wolters (Bildhauer und Maler).

197 Kunstschaffende bewarben sich fristgerecht und die Kommission wählte 109 Arbeiten von 67 Künstler*innen aus. In der Auswahl war manche Überraschung und viele junge Künstler*in, die später das Kunstgeschehen in der Region nachhaltig prägten, wie etwa Francis Berrar, Bettina van Haaren, Thomas Meier-Castel oder Thomas Wojciechowicz. Aber auch große Namen warne vertreten, wie Werner Bauer, Hans Dahlem, Sofie Dawo, Richard Eberle, Jo Enzweiler, Oskar Hohlweck, Leo Kornbrust, Horst Linn und Erwin Steitz. „Kunstszene Saar“ wurde zum Ausstellungstitel der ersten Landeskunstausstellungen betitelt. Zwei Jahre später fand die Kunstausstellung in Neunkirchen statt. 

Bei der Landeskunstausstellung 1991 in der Modernen Galerie in Saarbrücken gab es erste Kritik. Dass sich auch „anerkannte Künstler*innen“ einer Jury stellen sollten, wurde aus der Künstlerschaft kritisiert. Andere wurden von der Jury nicht berücksichtigt und wollten im Anschluss nichts mehr von der Landeskunstausstellung wissen. Ein Vorschlag der vorbereitenden Arbeitsgruppe war es, dass man fünf Künstler einladen könne, doch die Jury machte davon keinen Gebrauch. Auch andere Reformvorschläge wurden verworfen.

Im Vorfeld der vierten Auflage (20. Juni bis 22. August 1993) wurde die Kritik lauter. Die Landeskunstausstellung 1991 war scharf kritisiert worden. Zu viel Altbekanntes, die Kunsthochschule sei kaum berücksichtigt worden und der zweijährige Rhythmus zu kurz getaktet. Die zuständige Arbeitsgruppe zur Landeskunstausstellung bestand zu diesem Zeitpunkt aus Heinz Diesel, Maler und Vertreter der „Gruppe Sieben“, Jo Enzweiler als Vertreter der „neuen gruppe saar“, Isabell Federkeil, Vertreterin der Künstlerinnengruppe Saar, Thomas Gruber, Vorsitzender der Künstlerbundes Saar, Aloys Ohlmann, wie Diesel der Gruppe Sieben zugehörig, Ulrike Rosenbach, Rektorin der Hochschule der Bildenden Künste Saar, Manfred Güthler, BBK Saar und Günther Willeke von der Künstlergruppe Untere Saar. Es wurde heiß diskutiert: Solle man den Zweijahresrhythmus aufgeben und zu einem dreijährlichen oder vierjährlichen Takt wechseln? Solle man Gäste einladen, die nicht aus dem Saarland stammten, um ein Auftreten der immergleichen Namen zu vermeiden? Es blieb beim Biennale-Rhythmus und Gäste wurden nicht eingeladen.

Ein paar Änderungen gab es dennoch. Künstler mussten sich einer Vorjury stellen, ehemaliger Teilnehmer nur der abschließenden Jury. Es gab kein Mitglied der Ministeriums mehr, um Staatsferne zu demonstrieren. Kulturjournalistin Cathrin Elss beklagte in der Saarbrücker Zeitung den fehlenden Innovationsmut. Da die Ausstellung bisher alternierend im Saarlandmuseum und einem Standort im Umland vergeben wurde, war nun das Museum Haus Ludwig in Saarlouis an der Reihe. 77 Werke von 48 Künstler*innen wurden aus 237 eingereichten Arbeiten von 94 Künstler*innen ausgewählt. Die Jury stand unter dem Vorsitz von Lorenz Dittmann, der in seinem Katalogessay noch mal auf die Fragen ein und erklärt, dass in einem kleinen Bundesland eben nur eine überschaubare Anzahl von Künstler*innen in herausragender Qualität gebe und es daher zwangläufig zu Wiederholungen kommen müsse.

Tatsächlich waren viele altbekannte Namen dabei, aber auch junge Kunstschaffende wie Arvid Boecker, Johannes Fox, Leslie Huppert oder Armin Rohr erhielten die Chance, sich zu präsentieren. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten und die Leserbriefseiten der Saarbrücker Zeitung quollen über. Langweilig sei die Landeskunstausstellung, ein Affront, dass ein Jurymitglied, das Professor an der Kunsthochschule sei, gleich fünf seiner Studierenden in die Ausstellung schicke. In der Folge wurde heftig diskutiert. Eine eigens einberufene Podiumsdiskussion debattierte im Juli 1993 noch während der Ausstellung über Sinn und Unsinn einer Landeskunstausstellung und über ein zukünftiges Konzept.

Auch bei Landeskunstausstellung 1995 (17. September bis 29. Oktober) sollte alles beim Alten bleiben, wie eine Arbeitsgruppe im Vorfeld beschloss. Es gab ein Bewerbungsverfahren und eine Jury suchte die Ausstellenden aus. Die Saarbrücker Zeitung war voll des Lobes für die „junge Brise“ und die gleichbleibende Qualität, die künstlerische Öffentlichkeit eher kritisch.

Vom 7. September bis zum 9. November 1997 war St. Ingbert Ausstellungsort der „Kunstszenen Saar“ mit 63 Künstler*innen. Auch dieses Mal lobte die Saarbrücker Zeitung die Ausstellung und bemängelte doch: „Gewiss ist, die Landeskunstausstellung tut keinem weh. Sie scheint vielmehr Künstlern zu helfen. Also soll man sie leben lassen.“ Enthusiasmus sieht anders aus und wieder wurde heftig diskutiert, ob man die Landeskunstausstellung überhaupt brauche und wie diese aussehen könnte.

Nach der Landeskunstausstellung 1997 sollte sich einiges ändern und eine Arbeitsgruppe mit Vertreter*innen der Künstlerverbände und der Kunsthochschule trat zusammen, um Reformvorschläge zu erarbeiten. Dieses Mal nun wirklich. Ein Kurator sollte zukünftig über die Teilnehmer*innen entscheiden, das Bewerbungsverfahren fiel weg. Außerdem sollte die Ausstellung nur noch alle vier und nicht mehr alle zwei Jahre stattfinden. Unter dem Motto „Visionen 2000“ kuratierte der Leiter des Wilhelm-Hack-Museums in Ludwigshafen Richard W. Gassen eine Ausstellung mit 138 Künstlern an sechs Orten in fünf Städten. Tatsächlich wurde erstmals auch ein kuratorisches Konzept erkennbar: Die Moderne Galerie des Saarland Museums und das Saarländische Künstlerhaus in Saarbrücken öffnen sich für „Abstrakte Bildwelten“, während im Museum Sankt Ingbert „Bilder vom Menschen“ im Zentrum standen. Die Galerie im Bürgerhaus Neunkirchen zeigt Werke unter dem Themenschwerpunkt „Botschaft und Erinnerung“, das Museum Schloss Fellenberg in Merzig zeigte die Themen „Natur, Technik und Umwelt“, während das Museum St. Wendel „Ansichten und Einsichten“ präsentierte. Und die Rückmeldungen waren überwiegend positiv.

Die folgende Landeskunstausstellung fand vom 29. August bis zum 31. Oktober 2004 statt. Sie stand unter dem Titel „Im Augenblick“. Kurator wurde Georg W. Költzsch, der in den 1970er und 1980er Jahren Direktor des Saarlandmuseums war und von 1988 bis 2002 Leiter des Museums Folkwang in Essen. Unterstützt wurde er von den Kunsthistorikerinnen Katja Hanus und Petra Wilhelmi. Als Ausstellungsorte dienten Saarland Museum, Stadtgalerie sowie Saarländisches Künstlerhaus Saarbrücken, Museum St. Ingbert, Museum Schloss Fellenberg Merzig, Museum Haus Ludwig Saarlouis, Museum St. Wendel und Galerie im Bürgerhaus in Neunkirchen. Ein Bewerbungsverfahren sollte allen offenstehen, die dem Saarland verbunden waren. Rund 100 Künstler*innen wurden ausgewählt. Es ist eine Zeit, in der die Kunstausstellung vielleicht ihre ruhigste Phase hatte. Es wurde nur wenig gemäkelt.

Die 9. Landeskunstausstellung fand vom 21. Juni bis 31. August 2008 unter dem Motto Dein Land macht Kunst statt. Kurator wurde der damalige Leiter des Saarlandmuseums Ralph Melcher. Der lud 85 Künstler zur Ausstellung ein und zeigte mehr als 300 Werke an acht Orten im Saarland, neu hinzu kam das Institut für aktuelle Kunst im Saarland in Saarlouis. Eine Sonderschau war Leo Erb zu dessen 85. Geburtstag gewidmet. Melchers Credo: Kein Sammelsurium, sondern eine kuratierte Ausstellung mit möglichst sinnvoller Auseinandersetzung an jedem Ort. Das Resümee von Cathrin Elss-Seringhaus in der Saarbrücker Zeitung: „Nach diesen ersten Rundgängen gilt: keine Total-Ausfälle, nur klitzekleine Enttäuschungen. Vielleicht ist dies das Neue an der Melcher-Landeskunst-Schau?“ Mehr als 22. 000 Ausstellungsbesucher bedeuteten einen Rekord.

Die folgende Landeskunstausstellung mit dem wohlklingenden Namen SaarART wurde aufgrund von Verzögerungen beim Umbau der Modernen Galerie auf 2013 (21. April bis 16. Juni) verschoben. Kurator wurde Andreas Bayer, heute Direktor des Instituts für aktuelle Kunst und damals wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HBKsaar. Bayer ging einen neuen Weg. Er bezog die Künstlerschaft im Vorfeld in die Entscheidung ein und auch die Leiter der Ausstellungshäuser bekamen ein Mitspracherecht. Bayer behielt das letzte Wort im Konfliktfall. Erstmals wurde ein kuratorisches Konzept sichtbar. Der Kurator stellte eine Schau auf die Beine, die eine kleine Kunstgeschichte des Saarlandes der Nachkriegszeit wurde. Bayer brachte zeitgenössische Positionen in Dialog mit Arbeiten von Künstlern der Nachkriegskunstgeschichte im Saarland. Die Zahl der Künstler*innen reduzierte er drastisch, zeigte viele junge Kunstschaffende, viel Kunst jenseits der klassischen Kunstgattungen Malerei, Fotografie, Bildhauerei. Die Ausgabe 2013 wurde ein voller Erfolg. Kritik und Publikum waren voll des Lobes, mit 25.000 Besuchern wurde ein neuer Rekord aufgestellt.

Die elfte SaarART fand vom 28. April bis zum 2. Juli 2017 statt. Als Kuratorin berief das Kulturministerium Cornelieke Lagerwaard, die Leiterin des Museums St. Wendel. Sie hatte mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen. Die baubedingte Schließung der Modernen Galerie erforderte kreative Lösungen. Als Hauptausstellungsfläche zog die SaarART in die ehemalige Lehrwerkstatt des Bahnausbesserungswerkes in Burbach. Die Idee war gut, die Situation vor Ort aber alles andere als ideal. Die große Halle hatte kein Flair, lag entlegen am Rande der Stadt im Nirgendwo. Da retteten auch die vorzügliche Auswahl und die gute Präsentation nicht mehr viel. Lagerwaard verzichtete auf einen Themenschwerpunkt, doch wurde eine thematische Orientierung deutlich. Außerdem bot Laagerward junger Kunst eigene Schwerpunkte. Im Pingusson-Bau durfte sich die HBK austoben, auch die UrbanArt fand erstmals Raum bei der SaarART. Neben Burbach und dem Pingusson-Bau wurde Kunst auch gezeigt im Künstlerhaus, in der Stadtgalerie, in der Schlosskirche und im KuBa-Kulturzentrum am Eurobahnhof, in der Städtischen Galerie in Neunkirchen, dem Museum St. Wendel, dem Museum Schloss Fellenberg in Merzig, in der Völklinger Hütte und in Saarlouis im Museum Haus Ludwig und dem Institut für aktuelle Kunst im Saarland.

Nun startet die zwölfte Ausgabe. Es bleibt spannend.

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