Ich muss zugeben, dass ich am Anfang enttäuscht war. Die Landeskunstausstellung ist für mich schon seit den 1990er Jahren ein wichtiges Ereignis, bei dem die ansonsten wenig beachtete saarländische Kunstszene gefeiert wird und immer auch sich selbst ein bisschen feiert. Als Andrea Jahn als Kuratorin die Neuausrichtung verkündete, war natürlich sofort klar, dass die Aufnahme von französischen und luxemburgischen Künstlern auf wenig Gegenliebe stoßen würde, weil nicht mehr Ausstellungsplatz und nicht mehr Geld da sein würde als bei den letzten SaarArt-Ausstellungen. Einige bedeutende Künstler*innen des Saarlandes würden auf der Strecke bleiben, weil sich die saarländischen Kunstschaffenden den Kuchen mit den Kolleg*innen aus den Nachbarländern teilen müssten.
Doch Jahns Argumente überzeugten mich in persönlichen Gesprächen. Was ich als netten Lokalkolorit liebte, sieht Andrea Jahn als Schmoren im eigenen Saft. Und sie hat nicht Unrecht. Lege ich meine Zuneigung für die saarländische Kunstszene mal beiseite, dann waren die vergangenen Landeskunstausstellungen eigentlich eine ziemlich miefige Angelegenheit und nicht viel mehr als eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von Kunst. Da war immer viel Gutes, aber auch einiges Mittelmaß, vor allem aber war die Präsentation meist eher mau. Eine rühmliche Ausnahme war sicher die SaarArt 11 im Jahr 2013, als Andreas Bayer, heute Leiter des Instituts für aktuelle Kunst im Saarland, den Versuch wagte, saarländische Kunst des 20. Jahrhunderts und zeitgenössische Kunst der Region gegenüberzustellen und eine kleine saarländische Kunstgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts zu stricken. Es muss ein Wandel her und es müssen kuratorische Konzepte her. Das bewies gerade auch die SaarArt 2013, weil sie bewies, dass es auch anders geht.
Viele Künstler*innen fanden auch die thematische Konzeption von Jahn nicht gut, insbesondere die Festlegung auf die vier Themenbereiche Identität, Schönheit, Vergänglichkeit und Isolation stieß vielen sauer auf. Tatsächlich war mir schon bei der Themenbenennung in der Ausschreibung klar, dass sich hier viele Künstler*innen nicht sehen und sich gar nicht bewerben würden. Und tatsächlich geschah das auch. Großartige eher abstrakt arbeitete Kunstschaffende wie Dirk Rausch, Claudia Vogel, Sigurd Rompza oder Eva Walker bewarben sich gar nicht, für mich gehörten und gehören sie aber als bedeutende Protagonist*innen der saarländischen Kunst einfach dazu. In der regionalen Kunstgeschichte der Nachkriegszeit spielen die Abstrakten einfach eine bedeutende Rolle und nicht wenige formale Auseinandersetzungen in der Kunst des Saarlandes spielten zwischen figurativen und abstrakten Malern und Bildhauern. Man erinnere sich nur an die Zeit Anfang der 1960er Jahre, als sich die abstrakten Künstler*innen um Boris Kleint aus dem Saarländischen Künstlerbund zurückzogen und die „neue gruppe saar“ gründeten.
Ich sehe mit Wehmut, dass mir wichtige Künstler*innen dieses Mal nicht dabei sind. Und doch glaube ich, dass ein wirkliches kuratorisches Konzept eine Themenvorgabe und damit eine gemeinsame Klammer braucht, damit es nicht wieder eine beliebige Aneinanderreihung von Werken wird. Dies ist als kuratorische Vorgabe zu respektieren. Gewählt hat Jahn Themen, die ein möglichst breites Spektrum an existenziellen Themen der Menschen abdecken. Hätte es vielleicht bessere Themen gegeben? Mir fallen kaum welche ein, die eine möglichst breite Künstlerschaft ansprechen würden und weniger beliebig daherkämen.
Auch das neue Konzept, nicht mehr einzuladen, sondern die Künstler*innen in einem Bewerbungsverfahren mit Jury zu ermitteln, wurde kritisiert. Neu ist die Idee allerdings nicht, in den ersten Jahren der Landeskunstausstellung wurde sogar mit einem zweistufigen Bewerbungsverfahren und zwei Jurys gearbeitet. Jahn entgegnete auf die Kritik, dass in dieser Ausgabe nicht der Name zählt, sondern das künstlerische Schaffen. Das ist ein charmantes Argument, dem man nur schwer etwas entgegensetzen kann. Alle werden gleich behandelt, es werden keine Egos gestreichelt, das Werk steht im Mittelpunkt. Tatsächlich ist das ein großer Vorteil der Bewerbung. Viele Künstler*innen, die kaum bekannt sind, hätten bei einer Einladung kaum eine Chance, obwohl sie Hervorragendes schaffen. Der Nachteil: viele etablierte Künstler*innen stellen sich dem Verfahren nicht, weil sie entweder keine Lust haben oder die Schmach befürchten, ausjuriert zu werden. Auch das führt dazu, dass bedeutende Künstler*innen des Saarlandes fehlen, die das künstlerischen Leben der Region entscheidend beeinflussen. So ist in diesem Jahr nicht ein*e einzige*r Professor*in der HBKsaar dabei. Dafür aber einige Studierende…
Ein wichtiger Kritikpunkt der Künstler*innen war die Finanzierung dieser Ausstellung. Und tatsächlich finanziert nur das Saarland diese Ausstellung von Künstler*innen aus dem SaarLorLux-Raum. Es war ohnehin schon nicht einfach, diese Landeskunstausstellung zu stemmen und es ist ein stetiger finanzieller Drahtseilakt, der keine großen Sprünge erlaubte, schon weil die Künstler*innen dieses mal ein Honorar bekommen. Es ist klar, dass diese besondere SaarART nur ein Versuchsballon sein kann. Will man in Zukunft eine Biennale oder Triennale zur Kunst im SaarLorLux-Raum ausrichten, wie es Jahn vorschlägt, dann müssen weitere Ausstellungshäuser hinzukommen und Frankreich und Luxemburg müssen sich an der Finanzierung beteiligen.
Aus der Kunstszene der Grenzregion kommt große Zustimmung zu der Idee. Man könnte sie wie den Robert-Schuman-Preis im Rotationsverfahren stattfinden lassen oder die Ausstellungshäuser der Großregion grenzübergreifend alle miteinbeziehen und ein riesiges Kunstfest feiern. Das wäre ein Mammutprojekt, aber auch eines, das große Strahlkraft haben könnte und richtig viel Spaß machen würde. Vor allem aber würde es die Kunst der drei Länder viel näher zusammenführen. Es könnte ein Leuchtturmprojekt mit überregionaler Strahlkraft werden. Nun liegt es in den Händen der Politik, die Idee zu etablieren und finanziell auszustatten.