Kleine Ausführung von der Plastik "Vitesse"
Kleine Ausführung von der Plastik "Vitesse"

Zeichnung im Raum

Die bedeutende saarländische Bildhauerin Sigrún Ólafsdóttir zeigt Meisterwerke in der Modernen Galerie und in der Ludwig Galerie in Saarlouis.

Zweifellos gehört Sigrún Ólafsdóttir (geb. 1963 in Reykjavik) zu den bedeutendsten saarländischen Künstlerinnen der Gegenwart – gerade erst erhielt sie im vergangenen Jahr den Albert-Weisgerber-Preis für Bildende Kunst. Sie wurde in Island geboren und studierte zwischen 1986 und 1989 Bildhauerei an der Kunsthochschule ihrer Heimatstadt Reykjavik und von 1990 bis 1994 Freie Kunst in Saarbrücken bei Wolfgang Nestler, bei dem sie auch Meisterschülerin war. 

Sigrún Ólafsdóttir, Foto: Bülent Gündüz

Ólafsdóttir arbeitet überwiegend bildhauerisch, aber sie zeichnet und malt auch. Anfangs schuf sie eher biomorphe und vegetabile Objekte aus Holz und Metall, denen ein geheimnisvolles Leben eingehaucht scheint. Inzwischen arbeitet sie vor allem mit Holz, Metall und Gummi und schafft abstrakte Werke, die scheinbar kein reales Abbild der äußeren Welt darstellen.

Das Material ist bei Ólafsdóttir bedeutender Teil des Werkes. Die Künstlerin spielt damit und nutzt seine spezifischen Eigenheiten scheinbar grenzenlos. Häufig wird ein Kern aus Holz oder Metall mit schwarzem Gummi ummantelt. Ein schwieriger handwerklicher Prozess. Die Ummantelung raubt dem Betrachter die Möglichkeit des schnellen Erfassens des Grundmaterials. es is Teich mehr erkennbar, ob der Kern des Werkes schwer oder leicht ist. Damit stellt Ólafsdóttir unsere Sehgewohnheiten auf den Kopf. Etwa bei den Arbeiten aus Gummibändern, die scheinbar ohne Aufhängung an der Wand schweben, verknotet sind oder in fließenden Bewegungen von der Wand wegstreben, um dann zum Boden hinzufließen. Fast grafisch scheinen sie in ihrer Wandbezogenheit oder wie breite schwarze Pinselstriche.

Bewegung und Gleichgewicht sind Schlüsselbegriffe in Ólafsdóttirs Werk. Viele Arbeiten scheinen in einem Augenblick fließender Bewegung eingefangen und in der Balance zum Stillstand gekommen zu sein. Gegensätze vereinen sich im so Werk. Filigran wie Tänzer scheinen viele Arbeiten zu schweben und aufgezeichnete Bewegung zu sein, etwa „Feuersprung“ und „Ritual“ oder die „Reziprok“-Reihe, die sie 2011 begann und 2019 erneut aufgriff. Gerade diese Serien erinnern stark an die Lichtmalerei von Gjon Mili. Der Fotograf Mili hatte ab den 1930er Jahren Tänzer und eine Eiskunstläuferin mit Lichtpunkten ausgestattet und per Langzeitbelichtung fotografiert. Es entstanden zarte Lichtzeichnungen (Luminografien), welche die Bewegung festhielten. Arbeiten wie Reziprok erinnern stark daran und auch die Titel erinnern daran.

Gjon Mili, figure skater Carol Lynne (1945), Life Magazine
Gjon Mili, Carol Lynne (1945), Life Magazine

Auch die Reihe „Berührung“, die aus zwei sich berührenden Stahlbögen besteht, scheint eine abstrahierte tänzerische Bewegung darzustellen. Zum Synonym für die Assoziation des Tanzes wird aber die Plastik „Tänzer“, die sorgsam austariert aus zwei Stahlbögen besteht, die in Halbkugeln stecken. Der schwere Stahl steht im Kontrast zur Leichtigkeit der Bewegung, welche die Figur beim Antippen ausführt.

Mit den Reihen „Duo“ und „Duett“ vollendete Ólafsdóttir das Spiel mit dem Material und dessen Anmutung. Während „Duo“ als Plastik aus Stahl und Gummi im öffentlichen Raum in der Schifferstraße in Saarbrücken steht, ist „Duett“ (2018/19) eine Reihe von ähnlichen Skulpturen aus Holz und Gummi. Der Titel ist wörtlich zu nehmen, denn die Künstlerin benutzt immer zwei Materialien und lässt diese in zwei fließenden Formen aufeinandertreffen. Schaut man seitlich auf die Werke, scheinen sie linear, tatsächlich wird die Linie bei Bewegung des Betrachtenden aber zur raumgreifenden Bahn, die scheinbar durch den Raum zu fließenden scheint.

Immer wieder spielt aber auch Kraft eine große Rolle. Viele der fließenden Arbeiten streben nach unten, als bestünden sie aus Flüssigkeit, die der Gravitation ausgesetzt ist. Zugleich widerstreben sie den physikalischen Naturgesetzen, weil sie nicht so fließen, wie es Flüssigkeiten tun würden. Einige Arbeiten scheinen um ein Kraftzentrum herum geschaffen worden zu sein. Sie scheinen als Röhren konzipiert, die in Einzelteile fragmentiert sind. Diese Teile scheinen sich aus dem Zentrum wegzubewegen, als ob die Hülle durch eine Explosion zerbersten würde und die Bewegung eingefroren wäre. Es scheinen Momentaufnahmen zu sein aus einem Spiel aus Bewegung und einem Moment des Gleichgewichts.Ólafsdóttirs Werk ist von einer einzigartigen Ästhetik. Selbst die großformatigen Arbeiten wirken fragil, elegant und leicht. Werkbestimmendes Element ist die Linie in all ihren Ausprägungen, manchmal auch einfache geometrische Grundformen wie Kreis, Kreissegment, Dreieck oder Rechteck. Immer wieder gewinnt man den Eindruck der Raumzeichnung. Ólafsdóttir nutzt das Material zum Zeichnen in den Raum.

Website: https://sigrun-olafsdottir.de

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