Detail aus Wandzeichnung im Museum Schloss Fellenberg.
Detail aus Wandzeichnung im Museum Schloss Fellenberg.

Ein stetes Wachsen und Vergehen

Eigens für die SaarART 2023 schuf Julia Baur eine großformatige Wandzeichnung im Museum Schloss Fellenberg. Es ist eine Ode an Vergänglichkeit allen Lebens, aber auch eine Hoffnung auf Transformation.

Julia Baur (geb. 1964 in Stuttgart) studierte von 1990 bis 1992 Malerei an der Kunsthochschule Nürtingen und wechselte anschließend bis zum Diplom in Freier Kunst im Jahr 1997 an die HBKsaar. Immer wieder arbeitet Baur in den vergangenen Jahren mit Medien wie Malerei und Zeichnung, aber auch Fotografie. Zu ihrem frühen Werk gehören Langzeitaufnahmen von Bewegungsspuren.

Ihr bedeutendstes Sujet sind schon seit vielen Jahren Pflanzen. Anfangs projizierte sie Blüten auf Frauenkörper und fotografierte diese Projektionen. Späte begann sie, auf bunt bedruckte Stoffe mit Blumenmuster zur malen. Dabei nutzte sie diese als Hintergrund, übermalte sie stellenweise und nutzte die Blüten auch als Bildinhalt. Ein geschicktes Spiel mit Bildraum und Sujet, aber auch mit dem vorgegebenen Motiv und den malerischen Ergänzungen. Die Blumen werden zu Tätowierungen, Bekleidung oder Objekten.

In den vergangenen Jahren schuf Baur vor allem großformatige Zeichnungen mit Grafitstiften auf Papier oder als Wandzeichnung. Bevorzugtes Sujet sind Pflanzen, die sie in welkem oder vertrocknetem Zustand zeichnet. Anfangs noch von realen Pflanzenteilen wie Amaryllis ausgehend ersinnt sie inzwischen während des Zeichenprozesses eigene Pflanzen. Während sich die Blätter, Blüten und Wurzeln an einer Pflanze in frischem Zustand kaum zu unterscheiden scheinen, werden sie im Prozess des Verwelkens zu individuellen Objekten. Sie drehen, knittern und schrumpfen, werden faserig-knochig und so zu skulpturalen Objekten.

Natürlich liegt die Assoziation an Vergänglichkeit nahe und tatsächlich sind die Werke eine Auseinandersetzung mit Abschied, Tod und Verlust. Als Memento mori erinnern sie uns an die Endlichkeit allen Lebens. Auch wenn sie ihr vegetabiles Aussehen nicht verlieren, scheinen die Pflanzen ein merkwürdiges Eigenleben entwickelt zu haben, manchmal fast wie Tiere über die Fläche zu kriechen, dann wieder mäandernd in den Raum zu wachsen. So auf zarten Papierbahnen und in der Wandarbeit, die sie eigens für den Raum im Museum Schloss Fellenberg erstellt hat. Der Grund für die ambivalente Mischung aus Lebendigkeit und Tod dürfte sein, dass Baur die Pflanzen ohne Vorzeichnung aufbringt und sie beim Zeichnen intuitiv wachsen und welken lässt. 

In der Nahaufnahme von Details wird offensichtlich, wie die strukturierte Vliestapete die Zeichnung beeinflusst.
In der Nahaufnahme von Details wird offensichtlich, wie die strukturierte Vliestapete die Zeichnung beeinflusst.

Die pflanzlichen Objekte wuchern über die Wände, lassen sich auch von Fensternischen nicht aufhalten, wachsen in den Erker und kriechen wieder daraus hervor, um weiter über die Wände zu mäandern. Immer wieder kommen surreale Element vor, die an Formen aus der Natur erinnern, wie etwa Schneckenhäuser, die hier aber eher aus Bast oder Holz zu sein scheinen. Aber auch Zweige und Äste wachsen da scheinbar in den Raum, üppige Lotusblüten vertrocknen zu großporigen Oberflächen, Distelblätter und Getreidehalme sprießen und verwelken zugleich. Es ist ein stetes Wachsen und Vergehen.

Wenn man ganz genau hinschaut, entdeckt man, dass die Struktur der Tapete die Zeichnung beeinflusst und den Strich etwas leichter macht, als er vielleicht auf einem glatten Untergrund gewesen wäre. Die Wandzeichnung entstand in einem vierwöchigen Arbeitszyklus. Mehrmals pro Woche zeichnete Baur auf der Leiter stehend frei ohne Vorlagen und liess sich dabei von Gedanken und Musik tragen. Das Werk ist so ein Unikat, das selbst der Vergänglichkeit preisgegeben wird. Nach dem Ende der SaarArt wird das Werk im September wieder mit Wandfarbe überstrichen.

Website: https://www.julia-baur.de

Instagram: https://www.instagram.com/j_baur_/

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