Anne Haring, m22-3, 2022
Anne Haring, m22-3, 2022
11. August 2023

Kunst aus Trittschalldämmmatten

Anne Haring schafft großartige Kunst aus ungewöhnlichen Materialien.

Mir sind die Arbeiten von Anne Haring noch nicht sehr oft begegnet, weil Haring im Saarland bisher nicht so oft ausgestellt hat und wenn, dann in Gruppenausstellungen. Das ist schade und nach eingehender Beschäftigung mit der Künstlerin und ihrer Arbeit muss man sagen, dass sie längst eine größere Einzelausstellung im Saarland verdient hätte.

Haring wurde 1961 in Hamburg geboren und studierte von 1980 bis 1986 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Ab 1984 war sie Meisterschülerin bei dem Bildhauer Karl Bobek. Bobek war ein herausragender figurativer Bildhauer, dessen Akte weithin bekannt sind. Es kann also kaum verwundern, dass sich Haring in den ersten Jahren ihrer Karriere vor allem auf die menschliche Figur besann. Es entstanden Figuren oder Fragmente davon in Gips, Bronze und Eisen. In den 2000er Jahren entstand die Serie „Wandöffnung“, in der Haring sowohl kleine skulpturale Objekte wie auch raumfüllende Installationen entwarf. Immer wieder variiert sie das Thema der Wand und der Öffnungen darin, meist als Tür ausgeführt, gelegentlich sind es aber auch Wände, die in räumlichen Bezug zueinander gesetzt werden.

In den letzten Jahren ist Harings Form freier geworden. Sie bleibt zwar im Figurativen verhaftet, löst sich aber von den strengen formalen Vorgaben der Figur. Die Formen sind häufig organisch, erinnern an Organe, Fragmente menschliche Leiber oder Torsi. Auch im Material wird sie freier, nutzt Stoffe, Vliese und seit einiger Zeit auch Trittschalldämmmatten, die sie vernäht.

Im Museum St. Wendel zeigt Haring gleich drei Arbeiten, die sehr unterschiedlich sind. Für das werk „m22-4“ füllte Haring Stoffwülste mit Plastikfolie und verdichtete sie zu einem Knotengebilde. Dieses ruht auf einem Eisengestell in Augenhöhe. Es ist ein seltsames Knäuel, das ein Eigenleben zu führen scheint. Es zieht sich aus dem Raum in sich zurück.

Die Arbeit „m22-3“ besteht aus miteinander vernähten, grauen Trittschalldämmmatten, aus denen röhrenförmig waagerechte Gebilde in den Raum vorstoßen. Sie sind sichtbare Barriere zum Betrachter und halten ihn auf Abstand. Assoziationen lassen sich viele knüpfen. Sie erinnern an die Rohre von Panzerkanonen, könnten aber bezogen auf die menschliche Figur auch männliche Geschlechtsteile sein oder Gliedmaßen.

Der lebensgroße Anzug „m22-6“ macht den Körper der Künstlerin zur Plastik, lässt aber eine Identifikation zu. Für Haring ist er Relikt einer „Selbstisolation ohne fremde Hilfe“, sie spielt mit Isolation und Rückzug, ermöglicht aber auch Entfaltung von Person und Persönlichkeit. Die Arbeit besteht aus Stoff, weißem Vlies und Nähgarn und umhüllt den Körper bis auf die Hände. In der Ausstellung ist neben dem Anzug eine Videoarbeit zu sehen, in der die Künstlerin die Arbeit trägt. Das Gesicht ist nicht erkennbar, so führt er auch zu einer Anonymisierung der Person, die in dem Anzug steckt. 

Website: https://www.anne-haring.de

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